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Wenn Immo Veress und sein
Sohn Michel miteinan der toben, schmusen oder gemeinsame Schienen für die Lego Eisenbahn neu verlegen' entsteht das übliche liebevolle Bild von Unbeschwertheit und Vertrautheit. Dabei gibt es in diesem Fall
nur wenig Anlaß für Unbeschwertheit' nachdem Michels Mutter nur neun Monate nach seiner Geburt an Lungenkrebs gestorben war. Der 32jährige Immo Veress, der seinerzeit in Bayern wohnte und heute in Flensburg
lebt, hat fast die gesamten fünf Lebensjahre seines Sohnes um ihn kämpfen müssen. Um das Recht, ihn alleine erziehen zu dürfen. Um die Anerkennung der Behörden,
daß er sein Leben so eingerichtet hat, daß es Michel bei ihm gut hat, und daß Veress die finanziellen Voraussetzungen schaffen kann, die ein gemeinsames Leben möglich machen.
Oft genug bedeutete das Kampf gegen die Behörden: Gegen ein Jugendamt, das Michel
lieber in einer Pflegefamilie unterbringen wollte und gegen Beamte' die offensichtlich eher im Sinne einer Adoption Michels arbeiteten als im Sinne des leiblichen Vaters. Die Probleme
nach dem Tod von Michels Mutter lassen sich kaum schildern. Sicher ist: Daß Immo Veress mit ihr nicht verheiratet war, hat vieles schwieriger gemacht. Obwohl der 32jährige die
Vaterschaft sofort anerkannt hatte. "Dennoch hatte ich kaum Rechte", hat der junge Vater schnell erfahren. Immo Veress hat gehandelt.
Der gelernte Flugzeugmechaniker damals bei der Lufthansa in München tätig hatte Glück
mit seinem damaligen Vorgesetzten. Er konnte aus seinem Job noch zu Lebzeiten von Michels Mutter eine Teilzeitstelle machen um sich mehr um sie und den Sohn kümmern zu
können. Nach dem Tod von Michels Mutter.kümmerte sich eine Pflegefamilie um den Kleinen. “Dann habe ich gemerkt", sagt Immo Veress, "daß die Pflegeeltern heimlich und mit
Unterstützung des Jugendamtes die Adoption meines Sohnes betrieben." Für den jungen Vater hieß das "Alarmstufe rot".
Er bemühte sich beim zuständigen Amtsgericht um die sogenannte "Ehelicherklärung" für
Michel. "Ein VabanqueSpiel", weiß Veress, weil er sich den individuellen Einschätzungen von Behörden und Richtern in einer Gesellschaft ausliefern mußte, für die Kinder im
allgemeinen Frauensache sind. Chance auf einen für ihn erfreulichen Ausgang maximal fiftyfifty. Ein Dreivierteljahr dauerte die Entscheidungsfindung nach Veress' Erfahrungen eine
vergleichsweise kurze Zeit. "Ich war mit meinen Kräften eigentlich am Ende, und doch hat es mich auch stark gemacht", beschreibt Immo Veress seinen damaligen Gemütszustand. Er
schiebt aber nach: "Daran habe ich heute noch zu knacken. . ."
Es hat sich gelohnt, er hat gewonnen. Michel wurde als sein ehelicher Sohn anerkannt. Was
passiert wäre, wenn Michels Oma (Mütterlicherseits) Michel hätte haben wollen, mag Immo Veress gar nicht überlegen. Er ist sicher, daß sie ein entsprechendes Verfahren gewonnen
hätte. Veress' Sorgen waren mit der Gerichtsentscheidung aber noch nicht erledigt, die Freude währte nur kurz. Sein Lebensmodell TeilzeitJob/Telzeitpflege drohte an Finanziellem
und an weitergehenden Interessen der damaligen Pflegefamilie seines Sohnes zu scheitern. Immo Veress sucht eine neue Lebensperspektive in Flensburg, wo seine Familie lebt, von
der er sich Unterstützung im Sinne eines sek...?
der Berufseinstieg als Übersetzer nicht, der Gang zum Sozialamt wird unaufschiebbar. Geld
aber gibt es nicht "ich war wohl zu ehrlich", sucht Veress nach Gründen. In der Behörde hat er seinen komplizierten Lebensweg mit Michel erklärt hat auch berichtet, daß Michel von seiner
verstorbenen Mutter eine kleine Wohnung in Bayern, und etwas Geld geerbt hat. "Daran ist die Sozialhilfe wohl gescheitert, obwohl ich rechtlich verpflichtet wurde, Michels Vermögen
nur treuhänderisch für ihn zu verwalten und auf keinen Fall anzufassen", ist Immo Veress heute noch sprachlos über die Entscheidung. Er möge doch seinen Sohn auf
Unterhaltszahlung verklagen, habe man ihm geraten.
"Ein Wahnsinn", sagt Veress, der nach einem Umzug später anstandslos Sozialhilfe in
Niebüll bezieht. Irgendwann hat er die Klage gegen Michel dann doch gestartet. Dabei sei ihm allerdings die Prozeßkostenbeihilfe verwehrt worden. Begründung: Keine Aussicht auf
Erfolg. Der fünfjährige Michel bekommt die Schilderung seines Vaters mit. „Du hast mich verklagt?!" wundert er sich. "Ja, ja du hast aber gewonnen", erklärt der Vater der jetzt in
Flensburg von Arbeitslosenhilfe lebt und derzeit eine Weiterbildungsmaßnahme besucht.
Trotz aller Irrungen und Wirren seines Lebens hat Immo Veress irgendwann die Zeit
gefunden, den Verein "Väteraufbruch für Kinder" (Tel.: 04,61/18 06 95) zu gründen. Um zu verhindern, daß Kinder nach Trennungen den Kontakt zu ihrem Vater völlig verlieren und "zu
Halbwaisen werden' weil Väter aus mysteriösen Gründen den Kindkontakt verlieren". Er kämpft mit Mitstreitern in ganz Deutschland für das Recht der Kinder auf beide Eltern.
"Erfahrungen habe ich ja genug", sagt der 32jährige.. Behördengänge, Rechtsstreitigkeiten, finanzielle Sorgen Immo Veress hatte in den letzten Jahren wenig Zeit zum Luftholen und nur
selten die Muße, seinen Traum von "einer ganz normalen Familie" zu träumen.
Und über allem immer die bangen Fragen: Werde ich meinem Kind gerecht? Bekommt
Michel genug Liebe? Kann ich ihm die Mutter gut ersetzen? Bin ich trotz aller Sorgen ihm gegenüber gerecht, fröhlich und liebevoll. genug?- „Ein latenter Schuldkomplex ist immer da
manchmal lähmend, manchmal auch Antrieb" sagt der alleinerziehende Vater, der sein Leben als "große Herausforderung“ begreift. "Die Energie, die ich verpulvern mußte, hätte
ich gerne für meinen Sohn gehabt." überlegt er dann laut. Und als hätte der kleine Michel alles ganz genau verstanden, küßt er seinen Vater liebevoll auf die Stirn.
THOMAS SCHUNCK
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